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KAWASAKI-NEWSLETTER

15 Mai 2012 Die Z Serie feiert ihren 40. Jahrestag

Viele Motorradmodelle kommen und gehen, nur wenige werden zu Legenden. Die Kawasaki 900 Z1 gehört zu diesen Legenden und übt bis heute weltweit bei Motorradfans eine besondere Faszination aus. Anlässlich des 40. Geburtstages blicken wir hier zurück.
Ende der Sechzigerjahre zeichnet sich bereits eine Trendwende im Motorradgeschäft ab: Zweitakter sind allmählich out, Viertakter bestimmen mehr und mehr die Portfolios der Hersteller. Vor allem die europäischen Marken haben längst bei den Viertaktern ihr Heil gesucht. Grund sind die immer restriktiveren Abgasbestimmungen, die bei einem Zweitaktmotor grössere Kompromisse erfordern. Viertakter schaffen hingegen locker die erforderlichen Normwerte. Vor allem im potenziell verkaufsstärksten Markt der Welt, den USA, ist dies ein wichtiges Argument. Europäische Hersteller verkaufen auf der anderen Seite des Atlantiks seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Technisch gesehen muss man sich hier lediglich mit den V2-Triebwerken der Amerikaner messen, da reichen die Parallelzweizylinder aus England, italienische V2s und deutsche Boxermotoren locker aus. Die für die Szene so wichtige Vision entsteht aber gerade am anderen Ende der Welt, in Japan.

Ingenieur Gyoichi Ben Inamura hat für Kawasaki Heavy Industries (KHI) gerade eben den ersten grossen Viertakter, die W1 mit 650 Kubikzentimetern Hubraum, entwickelt. Basis war die K2 von Hersteller Meguro, den Kawasaki 1961 übernahm. Der Parallelzweizylinder der W1 mit 50 PS Leistung ist in Japan erfolgreich, wird in Europa und den USA aber als BSA-Kopie verschmäht. Völlig zu Unrecht, wie man heute weiss. Da ist es nur gut, dass man eine zweite Produktlinie mit schnellen Zweitaktern aufbieten kann, die aus der Produktlinie der ehemaligen Firma Meihatsu hervorgehen – einem weiteren Hersteller, den Kawasaki in weiser Voraussicht gekauft hat. Die drehschiebergesteuerten 250A1 Samurai und die 350A7 Avenger können 1966 und 1967 auch hubraumstärkeren Bikes noch voll Paroli bieten. Dennoch plant Kawasaki für die Zukunft, zweigleisig zu fahren. Zum Einen mit schnellen Dreizylinder-Zweitaktern vom Schlage 500H1 Mach III (60 PS), die 1968 vorgestellt wird, zum Anderen mit grossen Viertaktern. Ben Inamura wird 1967 nach langen Debatten in Akashi mit der Aufgabe betraut, einen grossen Viertakter mit vier Zylindern zu entwickeln. Viele Leute in den wichtigen Führungspositionen halten das Ingenieursgenie und seine Idee nach wie vor für reichlich durchgeknallt. Doch bereits ein Jahr später läuft der luftgekühlte Vierzylinder erstmals erfolgreich auf dem Prüfstand. 749 Kubikzentimeter Hubraum, zwei oben liegende Nockenwellen (dohc) und Tassenstössel machen ihn drehzahlfest, 70 bis 75 PS sind locker drin. Dauerdrehzahlen von 9000/min kann er mühelos verkraften. Fast wie ein echter Rennmotor! Allen Unkenrufen im eigenen Hause zum Trotz hat Inamura seinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Das Projekt N600 kann beginnen.

Ingenieure und Designer gehen mit viel Enthusiasmus ans Werk, schliesslich muss man ja noch das ganze Motorrad rund um den Motor entwickeln. Doch dann kommt der Mega-Knall. Auf der Tokio Motor Show im Herbst 1968 lüftet Mitstreiter Honda das Tuch von der CB 750 Four. Reihenvierer, ohc-Ventiltrieb, 67 PS, 200 km/h Spitze, 4-in-4-Auspuffanlage und Scheibenbremse vorn. Ein Schock für die Kawasaki Leute. Es hatte zuvor keinerlei Anzeichen für einen solchen Vorstoss gegeben. Die 750er-Four ist dem potenziellen Konkurrenten aus Akashi bis auf wenige Ausnahmen viel zu ähnlich, um ihn zur Serienreife zu bringen. Kawasakis Mannen ziehen sich zurück und lecken ihre Wunden, das Projekt N600 wird auf Eis gelegt – vorerst. Doch bereits im Juli 1969 rückt man wieder eng zusammen und beginnt die Arbeit am grossen Reihenvierzylinder neu. Im August muss sich ein Prototyp im direkten Duell mit der CB 750 Four beweisen und zeigt hier klare Vorteile. Die spätere Entscheidung, den Hubraum auf 903 Kubikzentimeter zu erhöhen, basiert auf jüngsten Marktforschungsergebnissen aus den USA, die in diese Richtung weisen. Dennoch ist das nach Ansicht der Verantwortlichen bei Kawasaki nicht genug. Die neue Maschine mit dem Produktcode T103 muss sich in fast allen Punkten von der CB 750 Four unterscheiden. Man will ein ganz eigenes Motorrad, um nicht den geringsten Verdacht einer Kopie aufkommen zu lassen. Die neue Kawasaki soll das stärkste und schnellste Big-Bike in Grossserienfertigung werden, garniert mit den besten technischen Zutaten, den schönsten Details und dem aufregendsten Design.

Erstmals will KHI ganz eng mit den amerikanischen Kollegen von Kawasaki Motors Corporation (KMC) aus Kalifornien zusammenarbeiten. Denn die Kollegen aus den USA besitzen grosses strategisches Wissen und beliefern den stärksten Motorradmarkt der Welt, der auch für das vorerst T103 getaufte Bike das grösste Potenzial bietet. Intensive Fahrtests und ausgedehnte Produktmeetings führen die Maschine schliesslich ins Stadium mit dem Code 9057. Die Vorbereitungen mit Überlegungen zu Kostenplanung, Zulieferern und Produktionstechnik gehen in die entscheidende Phase. Anfang 1972 werden noch mal Tests in den USA gefahren. Zwei Teams legen je 6000 Meilen auf öffentlichen Strassen von Atlanta/Georgia nach Santa Ana/Kalifornien zurück, eines davon auch auf dem Talladega Speedway in Alabama. Die Motorräder – zum Teil mit Honda-Emblemen am Tank getarnt – bestehen diese Distanz ohne jegliche Schäden. Dennoch nehmen sich der britische Rennfahrer Paul Smart und der japanische Testfahrer Kiyohara die 9057 anschliessend noch einmal in Talladega zur Brust. Disziplinen: Dauer- und Höchstgeschwindigkeitsprüfungen. Dann noch mal Tests in Japan. Am Ende steht fest: Die Z1 ist die Schnellste und Standfesteste. Kein Wunder, dass sich dieser Motor in den nächsten zehn Jahren auf allen Rennstrecken der Welt als Siegertyp bewährt!

Fünf Jahre Entwicklungszeit sind vergangen und rund 800‘000 US-Dollar investiert worden. Jetzt will das Ganze professionell und rentabel verkauft werden. In den USA wird ein komplett neues Vertriebsnetz aufgezogen, das Werbebudget übersteigt alles bislang Dagewesene. Kaufmänner und Marketing-Fachleute tüfteln die passende Strategie aus. Alan Masek, General Manager bei KMC in den USA, und Osamu Sam Tanegashima, Vertriebs- und Verkaufsspezialist, bringen die vier grössten amerikanischen Magazine nach Kobe und zeigen ihnen das neue Superbike. Und am darauf folgenden Tag wird Probe gefahren. Ergebnis: Die US-Boys sind begeistert. Danach kehren sie in ihre Redaktionsräume zurück und schreiben Top-Storys über die neue 900 Z1 Super Four. Rapide steigende Auflagenzahlen deuten an, was da für eine Lawine losgetreten ist.

Nicht nur in den USA, auch in Europa schlägt die 900 Z1 wie eine Bombe ein. Der Stand an der IFMA 1972 in Köln ist an keinem der Besuchertage frei begehbar, alles schart und drängelt sich um den neuen Superstar der Motorradszene. Der Viertaktzug ist mächtig ins Rollen gekommen und der Buchstabe „Z“ begleitet Kawasaki von nun an.