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KAWASAKI-NEWSLETTER

31 Juli 2019 Green By Brown #2 - Interview mit Leon Haslam / Marcel Duinker / Ron Haslam

Der Blog "Green by Brown" von WSBK-Fotograf Graeme Brown geht in die zweite Runde: Heute im Interview: der Neuzugang bei Kawasaki, Leon Haslam, dessen Crewchief Marcel Duinker und Leon's Vater, Rennsportlegende Ron Haslam.
Das Kawasaki Racing Team hat für 2019 einen neuen Fahrer unter Vertrag genommen: Leon Haslam. Für viele Kawasaki-Fans ist der Name Haslam kein unbekannter, holte er doch im Jahr 2018 mit dem JG Speedfit Kawasaki Team einen unvergesslichen Sieg in der British Superbike Championship.
 
Der Wechsel in das Werksteam scheint deshalb auf den ersten Blick eine einfache Sache zu sein. Mit Marcel Duinker als neuen Crewchief und der 2019er ZX-10RR mit anderem Elektronikpaket und Showa-Fahrwerk ist es jedoch eine grosse Herausforderung für Haslam und Duinker, in wenigen Monaten eine erfolgreiche Partnerschaft für die kommende Saison aufzubauen.
 
Wir setzten uns mit den beiden Herren zusammen um herauszufinden, wie sich die Partnerschaft nach dem Winter Test und den ersten drei Läufen der Saison 2019 entwickelte. Begleitet wurden wir dabei von niemand geringerem als Rennsportlegende Ron Haslam, Leon's Vater.
 
LH: Ich bin dieses Jahr ehrlich gesagt ganz anders angegangen als die letzten. Ich kam in eine Crew mit Marcel, Danilo (Casonato) und den Mechanikern, die seit 9 Jahren zusammen sind, viele Rennen und die Meisterschaft gewonnen hatten und wussten, welches Potential die Ninja ZX-10RR hat. In Jonny Rea's Händen hat sie vier Weltmeistertitel gewonnen, also sagte ich mir: "OK, lass es uns einfach versuchen, die ZX-10RR auf mich anzupassen". Es war offensichtlich, dass es sich dabei um eine Sache des Fahrstils handelte. Obwohl ich wusste, dass Jonnys Fahrstil mit diesem Bike funktionierte, war es für mich als erstes wichtig zu verstehen, wie ich das Bike bewegen musste. Sofort war klar, dass ich das Bike nicht mit meinem natürlichen Fahrstil fahren konnte und mir eine grosse Lernkurve bevorstand. Mit dem aktuellen Stand des Motorrads bin ich zufrieden, aber meiner Meinung nach gibt es immer noch ein paar Bereiche, in denen wir uns verbessern könnten. Ich bin das gleiche Setup wie Jonny gefahren und wenn ich die ZX-10RR richtig bewegen kann wie in Australien und Aragon, können wir bis zur letzten Runde kämpfen, so dass wir nah dran sind.

Wenn wir es ein wenig mehr an meinen Fahrstil anpassen, aber auch in eine neue Richtung gehen um das Potential des Bikes auszunutzen, könnten wir die Lücke zu Ducati schliessen.
 
MD: Ich wusste natürlich, dass es eine Herausforderung wird, sich nach sieben Jahre mit dem selben Fahrer wieder anzupassen. Als ich Ende 2011 mit Tom anfing, war dies meine erste Erfahrung als Crewchief. Ich habe bereits mit vielen Crewchiefs zusammengearbeitet, so auch in der MotoGP, in der ich aus der "2. Reihe" beobachten konnte, wie sie mit verschiedenen Fahrern und Situationen umgingen.
 
Ich denke, jeder braucht irgendwann etwas Neues und wenn sich dein Fahrer oder sonst etwas ändert, musst du eine andere Herangehensweise an den Tag legen. Ich musste schnell verstehen, was Leon braucht und dass wir uns richtig verstehen, denn die Kommunikation ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit das wichtigste. Das Gute daran ist, dass er bereits verschiedene Bikes gefahren ist und über reichlich Erfahrung verfügt. Er weiss definitiv, wovon er spricht.
 
LH: Bisher haben sich meine Hürden auf eine Strecke verlagert, auf der ich seit drei Jahren nicht mehr war. Ich habe analysiert, wie ich die ZX-10RR fahren muss um schnell zu sein und konzentrierte mich auf die Feinabstimmung des Fahrwerks wie an einem normalen Rennwochenende - und das alles innerhalb von zwei 50-minütigen Stints. Dabei ist mein natürlicher Fahrstil immer noch eine grosse Herausforderung, denn ich muss die Grenzen des Bikes besser verstehen. Ich habe das Gefühl, dass es viele Einschränkungen gibt, mit denen Jonny vier Jahre Zeit hatte, sich anzupassen und zurechtzufinden.
 
MD: Es ist immer wichtig, realistisch zu sein. Natürlich haben wir auf Phillip Island ein Zeichen gesetzt und leider ist Leon seither leicht verletzt, aber unsere Basis ist im Moment auf einem akzeptablen Niveau. Es ist logisch, dass man nach mehreren Jahren Abwesenheit wieder etwas aufholen muss. Auf jeder Rennstrecke dieser Saison war er zuletzt auf einer anderen Maschine unterwegs und auch wenn er in der BSB eine Kawasaki gefahren ist, so haben die beiden Bikes einen komplett verschiedenen Charakter. Fast alle anderen Fahrer fahren seit einigen Jahren in dieser Meisterschaft mit den selben Fabrikaten und kennen die Strecken. Besonders herausfordernd ist es mit dem Zeitplan, der jetzt nur noch zwei Stints am Freitag umfasst. Bis jetzt war es immer so, dass wir unsere Basis kontinuierlich verbesserten und das beste Bike erst am letzten Event, dem 2. Rennen, hatten. Wir können keine Wunder vollbringen, diese gibt es im Rennsport nicht, also tun wir einfach unser Bestes und versuchen, uns jedes Mal zu verbessern.
 
LH: Ich bin noch immer dabei, mich anzupassen. Auf bestimmten Strecken kämpfe ich noch mit meinem Fahrstil, auf anderen läuft es besser. Mein Ass ist Ärmel ist Marcel, welcher das Bike von Grund auf kennt. Er war dabei, als Tom noch mit den offenen Regeln im Motorenbau gewann. Im Grunde genommen hat sich das Chassis nicht so sehr verändert. Aber die Hürden, die Kawasaki überwinden musste und die Art und Weise, wie Jonny dominiert hat, ist auf einen bestimmten Stil zurückzuführen, wie er und seine Crew die Probleme gelöst und die Stärken der Ninja ZX-10RR maximiert haben. Wenn ich das Gleiche tue, kann ich mit Jonny mithalten. Aber zum ersten Mal seit vier oder fünf Jahren ist das nicht gut genug. Wir haben jetzt ein neues Ziel, also müssen wir einige unserer Hürden meistern, um diese Lücke zu schliessen.
 
Es besteht kein Zweifel, dass Marcel die Probleme kennt und weiss, wie das Motorrad gefahren werden muss. Wir versuchen jedes Wochenende, einige der Probleme zu lösen, aber am Ende sind es zwei 50-minütige Sitzungen und ich adaptiere mehr meinen Fahrstil als dass wir Probleme lösen können.
 
MD: Als ich mit Tom anfing, entwickelte sich aufgrund unserer ähnlichen Charakteren sofort eine Verbindung. Bald darauf folgten die Ergebnisse und das sind gute Zutaten, um für den Rest deines Lebens eine gute Beziehung zu haben. Eine solche Beziehung beginnt immer mit einem netten Kerl, und genau so einer ist Leon.
 
LH: Ich habe im Laufe der Jahre mit vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet und Marcel ist ein sehr ehrlicher Typ. Ich kann ihm meine Meinung direkt sagen und denke, dass meine offene Art auch ihm entgegenkommt. Es gab ein paar Situationen, in denen ich von der einen Richtung überzeugt war, er aber von der anderen. Er hat mir erlaubt, die im Nachhinein falsche Richtung einzuschlagen, damit ich verstehen konnte, wieso dieser Weg die schlechtere Lösung bedeutete. Er ist ein Crew Chief, der mir noch mehr Vertrauen gibt in dem er sagt: "OK, du weisst, was du tust, du weisst, wo dieses Bike sein muss". In der Vergangenheit habe ich versucht, diese Probleme bis zum Renntag zu lösen und nun kümmert sich Marcel darum. Er ermöglicht es mir, mich mehr auf die Analyse meines Fahrstils zu konzentrieren als die Probleme mit dem Bike zu lösen.
 
Marcel hat meinen Vater Ron als Teil des Teams voll akzeptiert. Was er auf der Strecke sieht, hilft mir und beeinflusst meinen Fahrstil im positiven Sinn. Daten können dir zeigen, was das Bike macht, aber nicht wie sie entstanden sind. Es fehlt das visuelle Element, welches mein Vater mit seinen Beobachtungen einbringt. Ein passendes Beispiel dafür ist der Ausgang von Kurve 5 in Assen: Er hat dort das ganze Wochenende gefilmt, vor allem Jonny, der dort schneller aus der Kurve rauskam als ich.
 
RH: Ich habe keine Probleme mit Marcel, er ist mir gegenüber sehr offen. Da ich schon sehr viele Fabrikate gefahren bin und ziemlich viel Erfahrung habe, sehe ich die Reaktion eines Bikes anders als andere. Viele Leute denken, ich würde sehen, wie die Federung auf der Strecke reagiert aber in Wahrheit siehst du sehr wenig davon. Ich kenne jedoch die Reaktion des Bikes in Verbindung mit der Federung und das ist der kleine Extrabonus, welcher ich einbringen kann.
 
Es war manchmal ein Problem, in einem Team akzeptiert zu werden. Jedes Mal, wenn Leon in ein neues Team kam, musste ich mich mehr als alle anderen zurückhalten, weil ich sein Vater bin. Das machte es manchmal ein bisschen schwer, aber hier war es ganz anders. Marcel war die ganze Zeit auf meiner Seite. Er kann sehen, dass ich mich nicht einmische und abwarte, bis Leon seine Eindrücke bei ihm angebracht hat.
 
MD: Ron war immer ein sehr wichtiger Teil von Leons Karriere, er hat immer die Rolle des Riding Coachs für Leon übernommen und ist auch jetzt dabei. In 90% der Fälle, in denen ich das Gefühl habe, dass aufgrund der Daten etwas mit dem Bike geschehen ist, werden diese Informationen durch die Beobachtungen von Ron auf der Strecke bestätigt. Manche mögen es anders sehen, aber ich bin beeindruckt, wie Ron fast jedes Mal in der Lage ist, korrekte Aussagen nur mit dem Gesehenen auf der Strecke zu machen.
 

Die nächste Ausgabe folgt am Mittwoch, 7. August 2019